FAQ

Was beinhaltet das Recht auf freien Marktzugang nach Massgabe der Herkunftsvorschriften?


Dieses Recht erfasst zwei Konstellationen:

  • Die grenzüberschreitende Ausübung einer Erwerbstätigkeit nach den Vorschriften, die am Sitz oder der Niederlassung der berechtigten Person gelten (Art. 2 Abs. 1 und 3 BGBM).

Beispiel: Ein Taxiunternehmer mit Sitz in Winterthur (Herkunftsort) hat das Recht, einen Kunden von Winterthur nach Zürich (Bestimmungsort) zu transportieren oder in Zürich einen Kunden auf Bestellung abzuholen. Die massgebenden Vorschriften sind die Bestimmungen des Winterthurer Taxireglements (Herkunftsprinzip). 

  • Die Niederlassung an einem (anderen) Ort zwecks Ausübung einer Erwerbstätigkeit, wobei sich die Ausübung der Erwerbstätigkeit nach den am Ort der Erstniederlassung geltenden Vorschriften richtet (Art. 2 Abs. 4 BGBM).

Beispiel: Ein im Kanton St. Gallen (Herkunftsort) niedergelassener Psychotherapeut hat das Recht, sich zwecks Ausübung seiner Tätigkeit im Kanton Zürich (Bestimmungsort) niederzulassen. Massgebende Vorschriften für die Ausübung der Tätigkeit sind die für Psychotherapeuten geltenden Bestimmungen der St. Galler Gesundheitsgesetzgebung (Herkunftsprinzip).


Was beinhaltet das Recht auf diskriminierungsfreien Marktzugang?

Gemäss Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 lit. a BGBM ist es den kantonalen und kommunalen Behörden untersagt, ortsfremde Anbieter gegenüber ortsansässigen Anbietern ungleich zu behandeln um letzteren einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.

Beispiel: Eine Gemeinde A. gewährt ihren Anwohnern beim Kauf eines neuen E-Bikes einen finanziellen Beitrag, unter der Voraussetzung, dass die Anwohner das E-Bike bei einem lokalen Händler kaufen. 
 

Besteht der Anspruch auf freien Marktzugang auch für eine Person, die am Herkunftsort eine Tätigkeit ausübt, welche der Bestimmungsort überhaupt nicht oder nicht als eigenständige Tätigkeit kennt?

Ja, denn massgebend ist, dass die betreffende Tätigkeit am Herkunftsort erlaubt ist bzw. rechtmässig ausgeübt wird.

Beispiel: Ein im Kanton Zürich selbständig tätiger Zahnprothetiker hat Anspruch auf freien Marktzugang im Kanton Graubünden, obschon dort die Tätigkeit des Zahnprothetikers ausgebildeten Zahnärzten vorbehalten ist.


Führt das Recht auf freien Marktzugang nach Massgabe der Vorschriften des Herkunftsortes (Herkunftsprinzip) nicht zu einer Diskriminierung von ortsansässigen gegenüber ortsfremden Personen?

Es liegt in der Natur des Herkunftsprinzips, dass ortsansässige gegenüber ortsfremden Personen dann schlechter gestellt werden, wenn die Marktzugangsregelung am Herkunftsort weniger strenge Anforderungen stellt als diejenige des Bestimmungsortes (sog. Inländerdiskriminierung). Das Binnenmarktgesetz nimmt denn auch die allfällige Schlechterstellung ortsansässiger Personen bewusst in Kauf.

In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass dem Herkunftsprinzip bzw. dem Binnenmarktgesetz eine Deregulierungsfunktion zukommt. Strenge Marktzugangsregelungen geraten unter Druck, was eine volkswirtschaftlich erwünschten Deregulierung auslösen kann.


Wer trägt die Beweislast für zulässige Beschränkungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 BGBM?

Die Beweislast trägt die Behörde des Bestimmungsortes. Sie hat den Beweis zu erbringen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen (Widerlegung der Gleichwertigkeitsvermutung, Gleichbehandlung, Vorliegen überwiegender öffentlicher Interessen, Verhältnismässigkeit) für eine Marktzugangsbeschränkung erfüllt sind. Dies impliziert auch, dass die Behörde ihren Entscheid hinreichend begründen muss.


Könnte das Ziel der Schaffung eines schweizerischen Binnenmarktes nicht besser erreicht werden, indem die unterschiedlichen kantonalen Marktzugangsregelungen durch einheitliche Bundesregelungen ersetzt würden?

In der Tat ist der BGBM-Ansatz nicht unumstritten. Einheitliche Bundesregelungen würden die Gleichbehandlung der betroffenen Akteure gewährleisten und die Rechtssicherheit sowie die Transparenz erhöhen.

Gegen ein Vereinheitlichung sprechen jedoch föderalistische Überlegungen (politisch unerwünschte Zentralisierung durch den Bund, Möglichkeit der Kantone zum Abschluss von Konkordaten als föderalismusschonende Alternative). Des weiteren besteht bei einer Vereinheitlichung die Gefahr der Überregulierung, da der vor einer Überregulierung schützende Regulierungswettbewerb ausgeschaltet wird. Damit ist auch ein Verlust an Potential für innovative Marktzugangsregelungen verbunden.

Abgesehen davon, dass der Ansatz des Binnenmarktgesetzes wie auch der Ansatz der Vereinheitlichung über Vor- und Nachteile verfügen, erweist sich ein „Glaubenskrieg" als wenig fruchtbar. Im Hinblick auf die Schaffung eines funktionierenden Binnenmarktes empfiehlt sich vielmehr der Rückgriff auf beide, sich ergänzenden Ansätze. So sieht es u.a. auch der Bundesgesetzgeber, indem er mit der Revision des Binnenmarktgesetzes das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung bzw. das Herkunftsprinzip stärkte und gleichzeitig in der jüngeren Vergangenheit den Marktzugang zu bestimmten Tätigkeiten einheitlich regelte (z.B. Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte).


Erteilt das Sekretariat der Wettbewerbskommission Rechtsauskünfte und, wenn ja, sind diese kostenpflichtig?

Das Sekretariat bzw. dessen Kompetenzzentrum Binnenmarkt erteilt Behörden und Privaten mündliche oder schriftliche Auskünfte zum Gesetz, worunter auch einfache Rechtsauskünfte fallen. Diese Leistungen werden kostenlos erbracht.

https://www.weko.admin.ch/content/weko/de/home/die-weko/sekretariat/binnenmarkt/faq.html